Nummer 11 – 15. Oktober 2013

aufruhr 11


AUFRUHR
Nummer 11, Jahr I

Anarchistisches Blatt
Erscheint jeden Monat
Zürich, 15. Oktober 2013


Inhalt:

1:12
Eigentum
Gefangene der Geschichte
Mörder!!!
Vortrag und Debatte gegen den Bau des PJZ
Unruhenachrichten


Als PDF-Datei.


1:12

Gleichheit kennt keine Proportionen

Wir leben in einer Welt, die in Reiche und Arme unterteilt ist. Das wissen wir alle. Das ist eine allgemein bekannte und, offensichtlich, auch eine recht breit akzeptierte Tatsache. Und doch, wie es scheint, vermag sie gelegentlich für Empörung zu sorgen, selbst bei den einen oder anderen Politikern. Aber nein doch, sagt ein Hauch von Gerechtigkeitsgefühl in ihnen, dass einige wenige das zig-fache der grossen Mehrheit verdienen, während die anderen sich tagtäglich abrackern müssen, um über die Runden zu kommen, das kann doch nicht sein! Und so haben sich einige beherzte Sozialisten auf ihr Wahlkampfpferd geschwungen, um hier einmal für etwas mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Nein, nicht die Gleichheit, dieses alte sozialistische Prinzip, so tollkühn sind dann unsere beherzten Ritter doch wieder nicht. Einfach die allzu offensichtliche Ungleichheit etwas reduzieren, ja, das würde sich für unsere demokratische Gesellschaft schon gehören. 1:12, so soll das Verhältnis sein. Ihr habt schon richtig verstanden, nicht 12:1, was ja zumindest noch nachzuvollziehen wäre. Nein, die 1, das seid ihr. Ihr, die überwiegende Menge von Arbeitenden, diejenigen, die die Häuser bauen, in denen die Menschen wohnen, sowie die Strassen, die sie befahren, diejenigen, die, von einem miesen Job zum anderen wechselnd, die gesamte Infrastruktur dieser kapitalistischen Gesellschaft in Gang halten – die, wie wir vielleicht festgestellt haben, kaum zu unseren Gunsten, sondern einzig zur Aufrechterhaltung unserer Ausbeutung zu Gunsten der Reichen dient – ihr alle, ihr sollt nun endlich von der Demütigung der Ungerechtigkeit erleichtert werden. Ihr sollt nun nur noch 12 Mal weniger Wert sein als diejenigen, die, aufopferungsvoll und erhaben, für euch die schweeere Last der Verantwortung, des Befehlens und, nicht zuletzt, des überquellenden Eigentums übernehmen – so schwer, dass sie tiefe Dellen in ihren plüsch-gepolsterten Chefsesseln hinterlässt.
Nun, bei allem Respekt vor dem Gerechtigkeitsgefühl unserer tapferen sozialistischen Ritter, aber mit einem Kampf für soziale Gleichheit und Freiheit hat das wenig zu tun. Geschweige denn von der Tatsache, dass die wirkliche Gleicheit die Beseitigung des Eigentums und der Autorität, und somit der Lohnsklaverei und der Ausbeutung des Menschens durch den Menschen erfordert, und dass sie gewiss nicht dadurch erkämpft wird, dass man einen Papierzettel in irgendeine Schachtel wirft. Ganz im Gegenteil beginnt dieser Kampf damit, die Delegation der sozialen Probleme an die Politiker zu verweigern, und sie selber in die Hand zu nehmen, und kann er letztendlich auf nichts anderes hinauslaufen, als auf die soziale Revolution, das heisst, die allgemeine Enteignung und Vergemeinschaftung der Reichtümer und die Zerstörung des Staates, der stets die Interessen der Reichen, und somit die soziale Ungleichheit beschützt und verteidigt. Und diese Enteignung der Reichtümer von jenen, die sie im Übermass besitzen, da angehäuft durch die Ausbeutung unserer Arbeit, darauf haben wir alle ein Recht, vom heutigen Tag an, ob individuell oder kollektiv. Auch ohne auf irgendeinen grossen Tag der Gerechtigkeit zu warten. Dies ist der Vorschlag, den wir jenen machen können, welche die herrschende Ungleichheit nicht akzeptieren wollen, und nicht irgendwelche Proportionen.
Aber dieser Kampf – und das mag unsere dem König Demokratie treu ergebenen Ritter erschrecken –, der kann nicht mit dem zahmen Gaul des Wahlkampfs gefochten werden, sondern nur mit dem wilden Mustang der Rebellion, unzähmbar und freiheitsliebend.


 

Eigentum

In der heutigen Zeit sind wir gezwungen, unser Leben – unsere Zeit und Energie – zu verkaufen, in den  Dienst dieser beschissenen Ordnung zu stellen, um uns mit dem Lohn dann über Wasser zu halten. Die Arbeit gilt heute etlichen als etwas an und für sich wertvolles und in der Logik der Bürger wird selbst dem dümmsten Job irgendein Sinn abgewonnen. Wir, die wir gar nichts produktives zur bestehenden Ordnung beitragen wollen, halten auch nichts von der Arbeit, der Sklaverei unserer Zeit, und wollen stattdessen davon sprechen, dass diese Eigentumsordnung, die uns dazu zwingt, uns ausbeuten zu lassen, zu zerstören ist.
In dieser staatlich-kapitalistischen Zivilisation ist das Eigentum einer der heiligsten Werte. Unzählige Leute werden eingesperrt wegen sogenannten Eigentumsdelikten, und dafür haben die Herrschenden auch allen Grund, denn schliesslich ist der Respekt vor dem Eigentum – der damit eingebläut werden soll – einer der Grundpfeiler dieser Ordnung. Jeder soll zu einem guten Bürger konditioniert werden, der in seiner Ignoranz nur die Parzelle seiner kleinen, heilen Privat-Welt betrachtet und diese – ein eigentliches Gefängnis – liebt, verteidigt und nie ihre Grenzen übertritt.
Das Eigentum ist grundlegend mit der Herrschaft verknüpft. Das Eigentum definiert sich nicht dadurch, dass dem jeweiligen Individuum etwas gehört, sondern dadurch, dass es dieser Person allein und ausschliesslich gehören soll und zudem, dass dieses Eigentum einer Person rechtlich gehören soll, dass es durch einen legalen Titel geheiligt ist. Das heisst zum Beispiel: Das Haus, in dem du wohnst, gehört irgendeinem Typen, den du vielleicht nie gesehen hast und der von seinem Sessel aus sagt, was mit diesem Eigentum gemacht werden darf. Es bleibt also sein Eigentum, und du darfst nur nach einem fremden (seinem) Regelwerk darauf handeln.
Das Privateigentum hat aber eigentlich als Grundlage die Herrschaftsmacht. Wer effektiv das Eigentum gegen die, die weder betteln noch sich verkaufen wollen, gegen den Pöbel also, durchsetzt, das ist die Polizei im weitesten Sinne. Das heisst, es muss nicht unbedingt der uniformierte Bulle sein, es kann auch irgendein Anhänger der Legalität sein, der sich geneigt fühlt, Polizei zu spielen und die herrschende Eigentumsordnung zu beschützen. Es gibt leider viel zu viele, die sich durch Denunziation von z.B. so etwas alltäglichem wie Ladendiebstahl hervortun; bei Bonzen mag das ja noch einigermassen nachvollziehbar sein, das solch erbärmliche Gestalten aber teils Menschen sind, die von dieser Ordnung selbst so gut wie gar nicht profitieren, stärkt mich nur in der Überzeugung, dass die Gesetzestreuen mit zu unseren schlimmsten Feinden gehören.
Durch die Mittel der Eroberung nimmt das Eigentum immer mehr Raum ein, und was heute absurd wirkt, wird morgen schon irgendjemandes Privateigentum sein. Heute sind viele schockiert, das teils schon Wasser privatisiert wird, aber dass die unmittelbare Umwelt, in der du lebst, nicht dir gehört, sondern einer Firma, dem Strassenbauamt, etc., und dass irgendwelche Bürokraten und Architekten darüber bestimmen, wie deine Umwelt als nächstes verunstaltet wird, ignorieren die meisten. Wenn wir uns gegen zweiteres nicht auflehnen, wird ersteres immer eine Möglichkeit bleiben. „Der Fortschritt ist unaufhaltsam“, heisst es. Und solange nur der Kapitalismus fortschreitet, wird auch diese Welt immer kompletter zum Privateigentum von irgendwem. Und da hilft es auch nichts, die Verstaatlichung von irgendetwas zu fordern, denn das Prinzip bleibt das gleiche: Alle anderen, alle, die nicht offiziell Eigentümer sind, werden von der jeweiligen Sache ausgeschlossen. Und so produziert diese Ordnung Milliarden von Ausgeschlossenen, die sich an die Reichen verkaufen müssen, in Wohnungen gepfercht werden, die ebendiesen Reichen gehören, etc.
Wie gesagt: Hinter dieser Ordnung, die jedem sein parzelliertes Fleckchen zuteilt, steht die Regierung, die diese Sache verwaltet. Denn, um dieses ganze Spiel aufrechtzuerhalten, braucht es die Bullen, die den Regelverstoss bestrafen (oder gar verhindern). Was es aber noch vielmehr braucht, sind Untertanen. Leute, die diese Ordnung respektieren, das Eigentum respektieren. Darauf ist diese Ordnung aufgebaut, dass die Leute nicht permanent versuchen, sich der Maschinerie zu entziehen und sie im geeigneten Augenblick anzugreifen, sondern, dass sie an diese Ordnung glauben, hoffen, irgendwann ihren Teil vom Kuchen zu bekommen, nicht mehr Ausgeschlossen zu sein, sondern ihr möglichst tief in den Arsch zu kriechen, um dann darin zu versauern. Diesen Leuten ist der Respekt vor dem Eigentum so tief eingeprägt, dass sie es gar für „natürlich“ halten, und (dadurch) die Barrieren, die es zwischen alle Leute setzt, verewigen.
Wenn wir uns aber nicht mit den Parzellen abfinden wollen, die uns zugestanden werden, sehen wir, dass wir Ausgeschlossene sind. Die Möglichkeiten aber, die eine grenzenlose Freiheit mit sich brächte, sind enorm. Da wir nunmal in dieser Welt leben, wo alles eingezäunt ist, bleibt uns zur Befreiung nur die Möglichkeit, alle Zäune einzureissen. Wenn wir die Gleichgültigkeit und Bezugslosigkeit gegenüber dem, was auf der Welt passiert und existiert, überwinden wollen, dann dadurch, dass wir unsere Betroffenheit in Taten umwandeln, also nicht dadurch, dass wir uns mit unserer Ohnmacht abfinden oder es an andere delegieren, „die Dinge zu verändern“, sondern dadurch, dass jeder und jede Einzelne die eigene Verantwortung, die Initiative und Dinge in die eigenen Hände nimmt. Diese Aneignung des Lebens ist aber nur durch die Revolte möglich, durch die Aneignung der eigenen Destruktivität. Das setzt die komplette Respektlosigkeit gegenüber Gesetz und Eigentum voraus, um all die Institutionen, die architektonische Umgebung und die Bauten, die uns enteignen, ausschliessen und unterdrücken, zu zerstören – egal wessen Eigentum sie sich nennen. Denn die Welt gehört allen…

…wenn wir sie uns nehmen!


 

Gefangene der Geschichte

Eine der häufigsten Kritiken, die uns unsere Gegner vorwerfen, ist, dass die Anarchie unter dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht realisierbar sei. Es mag euch vielleicht komisch erscheinen, gesagt von Anarchisten, aber bis hierhin haben wir nichts einzuwenden. Es handelt sich im Grunde um keine unfundierte Kritik: Es wäre ein Fehler – der leider auch von vielen Anarchisten gemacht worden ist –, zu denken, dass eine „anarchistische“ Organisation der heutigen Gesellschaft, konstruiert nach dem Ebenbild der Herrschaft, nicht bloss möglich, sondern, mehr noch, sogar wünschenswert sei.
Lassen wir unsere Gedanken einen Moment ins Absurde schweifen: Wenn, aus irgendeinem mysteriösen Grund, von einem Tag auf den anderen, Bosse, Politiker, hierarchische Organisationen, usw., verschwinden würden… als wäre dies alles schlicht aus der Gesellschaft herausgeschnitten worden. Das Ganze wäre offensichtlich unmöglich, ohne dass die Gesellschaft selbst weiter verändert werden müsste, um sie so einzurichten, dass es tatsächlich möglich ist, sie auf anarchistischen Grundlagen zu organisieren, in anderen Worten: über die blosse Frage der Selbstverwaltung hinaus, müsste man entscheiden, welche in der heutigen Gesellschaft bestehenden Strukturen mit der Freiheit des Menschen vereinbar sind, und welche nicht. Die Strukturen, die nicht mit der Freiheit vereinbar sind, müssten demnach verlassen oder zerstört werden. In diesem Fall würde die Gesellschaft selbst als etwas völlig anderes resultieren als die Welt, in der wir heute leben, und es würde sich nicht einfach um die Organisation der heutigen Gesellschaft auf anarchistischen Grundlagen handeln. In einer Gesellschaft ohne Privateigentum, ohne Repression, ohne Hierarchien, basierend auf der Solidarität, können wir uns da die Existenz von Polizei, Banken, Versicherungen, Bürokratie, Atomkraftwerken, Gewerkschaften oder Waffenfabriken vorstellen? Beispiele gäbe es hunderte.
Aus diesem Grund wäre eine anarchistische Gesellschaft schlichtwegs etwas anderes als eine blosse Änderung der Organisationsweise. Aus diesem Grund ist die Anarchie, unter dem gegenwärtigen Stand der Dinge, nicht möglich. Aber woraus entsteht dieses Missverständnis? Dieses Missverständnis entsteht aus einer fortschrittlichen Auffassung der Menschheitsgeschichte. Eine Auffassung der Welt, wonach die Geschichte des Menschen immer weiter von einem Zustand der Barbarei zu einem Zustand grösserer Freiheit und Zivilisation voranschreitet. Diese Auffassung der Geschichte ist in den vergangenen Jahrhunderten von vielen Denkern ab der Aufklärung entwickelt worden, und sie ist auch von vielen Anarchisten und vielen anderen Revolutionären angeeignet worden, welche – mit dem Fall der Monarchie in Europa, der allgemeinen Entwicklung einer grösseren Toleranz in der Gesellschaft, der Entwicklung von neuen Produktionsmitteln, die fähig sind, gleichzeitig die Produktion zu erhöhen und die menschliche Anstrengung zu verringern – in einem präzisen historischen Moment lebten, kurz gesagt: in einem Klima von Optimismus gegenüber den neuen Möglichkeiten, die von der Wissenschaft und der neuen demokratischen Gesellschaft eröffnet wurden. Diese Anarchisten und Revolutionäre sahen in der Entwicklung der Wissenschaft eine mögliche Befreiung von der Arbeit und folglich von der Ausbeutung, und in der Entwicklung der demokratischen Gesellschaft eine Evolution in Richtung der zukünftigen anarchistischen Gesellschaft.
Die Geschichte und der Fortschritt wurden somit als positive Kräfte betrachtet, die zur künftigen Befreiung des Menschen führen.
Unnötig, zu sagen, dass man heute, einige Jahrhunderte Geschichte, Fortschritt und Demokratie später, unschwer feststellen kann, dass all diese Versprechungen und Illusionen völlig ungerechtfertigt waren, und sind. Die Wissenschaft und die Technik haben uns nicht von der Arbeit und von der Ausbeutung befreit, im Gegenteil haben sie sich als Werkzeuge zur Reproduzierung und zur Fortführung der Ausbeutung herausgestellt, und dies nicht, weil sie falsch eingesetzt wurden, sondern weil sie von denselben Ausbeutungslogiken erzeugt wurden. Die demokratische Gesellschaft war keine Evolution in Richtung der Freiheit, und sie ist es noch nie gewesen, sie war im Gegenteil eine Anpassung der Macht an die neuen sozialen Bedingungen, eine Umwandlung in Richtung von einer anderen Form von Herrschaft.
Wenn wir wirklich in Richtung einer freien Gesellschaft voranschreiten wollen, dann müssen wir von der Feststellung des ideologischen Schwindels des Fortschritts ausgehen, von der Feststellung, dass es keinen beruhigenden Mechanismus gibt, der fähig ist, uns ohne unser Einwirken in Richtung dieser Gesellschaft zu bringen, schliesslich, um es anders auszudrücken: wenn wir neue Horizonte erreichen wollen, dann müssen wir beginnen, uns nach ihnen auf den Weg zu machen, denn nichts und niemand wird es für uns tun, ohne Angst vor den Hindernissen, die sich vor uns auftun könnten, wie unüberwindlich sie auch scheinen mögen. Sowie es, um sich auf den Weg zu machen, notwendig ist, sich zu orientieren, zu verstehen, in welcher Richtung sich das befindet, was man sucht – sonst könnten wir leicht vom Weg abkommen, oder schlimmer noch, im Kreis gehen –, ist es notwendig, das Terrain zu kennen, auf dem wir uns momentan befinden, um seine Gefahren und seine möglichen begehbaren Wege zu erkennen, die nötige Ausrüstung zu haben, die zur Unternehmung dieser Reise dient, und braucht es nicht zuletzt das eigentliche Sich-Bewegen, denn ohne Bewegung, auch auf die Gefahr hin, Fehler zu begehen, bleibt das Ganze nur ein Abschweifen der Gedanken. Um in Richtung einer freien Gesellschaft voranzuschreiten, müssen wir wissen, nach was wir streben wollen, müssen wir die Welt kennen, in der wir heute leben, um die Möglichkeiten, die potenziellen Komplizen darin erkennen zu können, um unsere Feinde (die sich oft unter dem Gewand des Komplizen präsentieren) und vor allem die Fallen, die uns gestellt werden, entlarven zu können, müssen wir ein Projekt haben – sprich: müssen wir wissen, wie es ausgehend von den gegenwärtigen Bedingungen möglich sein kann, eine tatsächliche Veränderung in Richtung von dem, was wir uns wünschen, eine Brücke zwischen der Gegenwart und der zukünftigen anarchistischen Gesellschaft, herbeizuführen –, auch wenn dieses Projekt partiell und nicht perfekt, im Laufe seiner Realisierung zu verfeinern ist. Nicht zuletzt müssen wir uns die nötigen Werkzeuge verschaffen, um dieses Projekt voranzutragen. Wenn wir von Projekt sprechen, müssen wir sicherlich einerseits sehr achtsam darauf sein, nicht in eine effizientistische Logik zu fallen, das heisst, nicht die Bewertung unserer Aktion auf im Voraus festgelegte, unmittelbare Resultate zu reduzieren, und andererseits nicht in den Spontaneismus zu fallen, in eine mangelnde Bestimmung von dem, was zu tun ist, um ein gewisses Ziel zu erreichen.
Ohne eine Projektualität könnte sich unser Agieren auf ein reines Zwangsverhalten reduzieren, auf ein Reagieren auf äussere Stimulationen und auferlegte Termine, auf ein um sich Schlagen in alle Richtungen, ohne irgendwohin zu gehen. Deshalb glauben wir, dass es für die Feinde dieser Welt wichtig ist, eigene Projektualitäten zur Umwälzung dieser Welt auszuarbeiten.


 

Mörder!!!

[Am 2. Oktober 2013 ist ein Schiff aus Libyen, überfüllt mit 500 Migranten, vor der Küste Italiens versunken. Der Grossteil von ihnen ertrank. Aufgrund der traurigen Wiederholung solcher Ereignisse, Jahr für Jahr, Monat für Monat, bleibt uns nur, die Worte eines Plakates zu wiederholen, das 2004, angesichts einer selben Tragödie, in Lecce, einer Stadt an der Süditalienischen Küste, auf alle Wände geklebt wurde.] 

Das x-te Massaker hat sich im Mittelmeer ereignet, das letzte in einer äusserst langen Reihe, die seit Jahren die Meere, die Italien umgeben, in Blut tränkt. Ein weiteres Mal hat die ganze zivilisierte Gesellschaft ihre Mitleidsstimmen erhoben; ein weiteres Mal wurden von Seiten der verschiedenen politischen Kräfte die Entrüstungschore laut; ein weiteres Mal stürzten sich Zeitungen und TV scharf auf die Verbrecherbande, welche die sogenannten „Reisen der Hoffnung“ organisiert, und auf die skrupellosen Schleuser der Bootsflüchtlinge. Ein weiteres Mal haben Menschen auf der Suche nach einer lebenswürdigen Existenz ihr Leben gelassen: alle empören sich, aber gleichzeitig lenken sie die Aufmerksamkeit ab und hüten sie sich gut davor, auf die wirklichen Verantwortlichen für diese Tragödien zu zeigen, wovon um unsere Küsten eine auf die andere folgt. Und doch, auch wenn es keine materiellen Täter gibt – wie es hingegen 1997 beim Versinken des albanischen Schiffes Kater I Rades geschah –, sind die Auftraggeber dieser Morde nur allzu leicht ermittelbar. Es sind die Staaten, die Regierungen und die Organismen, die mit ihrer Verteidigung und ihrem Schutz beauftragt sind. Jedes Mal, wenn ein Mensch auf diese Weise stirbt, sind die Staaten schuld, welche Schranken errichtet haben, um die Entrechteten abzuweisen, die versuchen, ihre Grenzen zu überschreiten; sind die Regierenden schuld, welche bilaterale Abkommen geschlossen haben, um die Armen dazu zu verurteilen, an ihrer Armut zu sterben, und in ihrem Herkunftsland zu sterben; sind die Armeen schuld, die Krieg und Tod in ferne Länder tragen, um sich ihrer Ressourcen zu bemächtigen, sie zu kontrollieren und auszubeuten; sind die Polizeikräfte schuld, die sich dafür einsetzen, diejenigen, die von diesen gemarterten Ländern fliehen, zurückzuweisen, zu jagen und einzufangen; sind schliesslich diejenigen schuld, die sich, hier bei uns, darum kümmern, diese Männer und Frauen einzusperren, in Erwartung darauf, ein Flugzeug oder ein Schiff zu füllen, und sie wieder zurück in die Hölle zu schicken, wovor sie geflüchtet sind. […]
Wir wissen nicht, wie lange wir noch weinen sollen, wir wissen, das wir es müde sind. Aber wir wissen auch, dass, sich auf die Tränen und das Bedauern zu beschränken, sicher nicht ausreichen wird, um zu verhindern, dass noch viele weitere Tote auf die der letzten Tage folgen werden. Wir müssen uns konkret dafür in Gang setzen, all dem ein Ende zu setzen, den Betrug zu demaskieren, hinter dem sie die Wahrheit verbergen, mit aller Luft, die wir im Körper haben, herausschreien, was die Staaten und Regierungen für uns wirklich sind: Mörder!!!


[Der obenstehende Text findet sich HIER auf Italienisch.]


 

Vortrag und Debatte gegen

den Bau des PJZ

Die Bauarbeiten sind im Gange. Dort, wo einmal der alte Güterbahnhof war, wird heute das Terrain für das PJZ präpariert. Für ein Riesengefängnis, einen Gerichtskomplex, eine Polizeihochburg. Ein Gebäude, das nicht nur die Präsenz und Kontrolle der Autorität im Quartier erhöhen, sondern auch massgebend zur laufenden „Aufwertung“ Aussersihl‘s und Vertreibung der ärmeren Anwohner beitragen wird. Also nicht einfach eine weitere Baustelle unter den viel zu vielen. Sondern ein bedeutender Baustein in einem Prozess der Unterdrückung gegenüber den Armen und den Unangepassten.
Angesichts dieser Tatsachen: Wollen wir wirklich weiter zuschauen, wie unsere Umwelt, auf dem Rücken unserer Resignation, immer mehr von den Interessen der Regierenden und der Reichen verunstaltet wird? Wollen wir dieses PJZ, das uns vor die Nase gestellt wird, und diesen Vertreibungsprozess, der uns letztendlich alle betrifft, wirklich einfach klanglos hinnehmen? Oder ist es an der Zeit, uns einen Ruck zu geben und unsere menschliche Fähigkeit zur Rebellion abzustauben?
Wir laden alle, die das Interesse an einem Kampf gegen den Bau des PJZ teilen, dazu ein, am Sonntag, dem 3. November, ab 16:00 in die Pizzeria „Bullingerplatz“ an der Sihlfeldstrasse 141 zu kommen. Dort wird es, um 17:00, einen Vortrag geben, der sich mit der Bedeutung und dem Kontext des PJZ und den Möglichkeiten zur Verhinderung dieses Baus auseinandersetzt, um anschliessend, im grossen und kleinen Rahmen, gemeinsam darüber zu diskutieren.
Wir bitten alle, dies an mögliche Interessierte weiterzuverbreiten.

Einige Gegner des PJZ


 

Unruhenachrichten

 Standortfucktor

Mitte September fand in Winterthur eine Tanzdemo unter dem Namen „StandortFUCKtor“ statt. Offensichtlich aufgeschreckt durch die wilden Ausmasse, die andere derartige Veranstaltungen angenommen haben, versuchten die Bullen von Beginn an, jeden Ansatz zu ersticken. Mit einem riesigen, kantonalen Aufgebot, mit Gitterwägen, Wasserwerfern und Gummischrot wurde die Versammlung gleich am Bahnhofplatz eingekesselt. Der Masse gelang es trotz allem, aus diesem Kessel auszubrechen, um sich dann an einem anderen Ort zu versammeln. Hier starteten die Bullen ihren nächsten Angriff, dem auch mit verschiedenem Wurfmaterial entgegengetreten wurde. Dennoch gelang es den Bullen, einen Teil der Leute ein zweites Mal einzukesseln. In diesem Kessel, aus dem immer Mal wieder Flaschen flogen, während die Bullen die Eingekesselten mit Wasserwerfer und Gummischrot eindeckten, schossen die Ordnungshüter einer Person das Auge aus!…
In derselben Nacht wurden mehrere Bullenautos versprayt, und etwas später verlor die Halter AG – eine der hauptverantwortlichen für die „Aufwertung“ in Winterthur – mehrere Scheiben. Soviel zu den Ereignissen.
Die Medien geben sich nun teils plötzlich schockiert über den „unverhältnissmässigen Polizeieinsatz“. Aber es gibt keine „verhältnissmässigen“ Polizeieinsätze. Das einzig verhältnismässige ist es, die Verhältnisse, den Staat, etc., anzugreifen… Dass die Medien sich nun so geben, zeigt nur einmal mehr ihr heuchlerisches Wesen. Lassen wir uns nicht verarschen. Lassen wir die Dynamik der „wilden Strassenfeste“, die sich in letzter Zeit schweizweit entwickelte, nicht von den Medien, politischen Organisationen, etc. vereinnahmen. Denn, das wird versucht, wenn auch bisher relativ erfolglos – setzen wir den Vereinnahmungsversuchen das höhnische Lachen der Revolte entgegen. Keine Kommunikation mit Bullen, Medien und Politikern. Auge um Auge!

1000 Gründe

Ende September waren bei der Bullenwache am Meierhofplatz in Höngg die Scheiben eingeschlagen. An der Wand waren folgende Graffitis zu lesen: „Fuck Cops“ und „Es gibt 1000 Gründe!“. Bestimmt wird jeder, der schmunzelnd daran vorbeispazierte, seine eigenen gehabt haben.

Sabotage

Zur täglichen Ausbeutung fahren, von Uniformierten kontrolliert und von Überwachungskameras gefilmt werden, und dafür auch noch bezahlen? Eine Frage, die sich für einige wohl von selbst erledigte, die eines Morgens Anfangs Oktober in den Kreisen 1, 4 oder 5 ein Ticket lösen wollten. Rund 24 Ticketautomaten der VBZ waren ausser Betrieb, da jeweils Ausgabeschalen, Kartenleser und Münzschlitze mit Schaum gefüllt wurden…

Selbstverwalten?

In Bangladesch kamm es Ende September zu massiven Unruhen in einer Industriezone. Zehntausende streikende Arbeiter konfrontierten sich mit den Ordnungskräften, während 3 Industriekomplexe vollständig zerstört wurden. Und da soll uns noch jemand kommen und sagen, das Ziel einer Revolution wäre es, alle Produktionsstrukturen selbstzuverwalten. Diese Todesfabriken gehören zerstört, und nichts anderes. Die Arbeiter selbst wissen das am besten.

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